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20 April 2024

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November 2020

Liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal, nur ganz manchmal, erwischt man sich ja doch dabei, an Wunder zu glauben. Also an irgendetwas, das man vorher nicht für möglich gehalten hat und das dann aus heiterem Himmel trotzdem passiert. So ein Wunder könnte zum Beispiel eine Delegation aus Covid-19-Viren sein, die mit weißen Fahnen an den Saugnäpfen ans Kanzleramt klopfen und ihre Kapitulation erklären, vielleicht mit der Bitte um eine ausreichende Menge von den Wirtstieren, in denen sie sich ursprünglich wohlgefühlt haben, bevor sie ihr Glück in Menschen suchten.

Ziemlich unwahrscheinlich, zugegeben. Aber andererseits auch wieder nicht viel unwahrscheinlicher als das Wunder, das kürzlich tatsächlich geschehen ist – und ausgerechnet auch noch in der Institution, die seit schlappen zwei Jahrtausenden für die Erzeugung und Verwaltung einigermaßen beeindruckender Wunder hauptverantwortlich zuständig ist. Na klar, die Katholische Kirche, und jetzt zum Wunder: Ihr Oberhaupt, der Heilige Vater, hat in einem Dokumentarfilm erklärt, man müsse eventuell die Haltung zu homosex­uellen Partnerschaften überdenken. Rumms. Das saß.

Das Wunderhafte dieser Äußerung erklärt sich erst, wenn man in Betracht zieht, dass im Vatikan die Erde noch gar nicht so lange keine Scheibe mehr ist. Man hat gewissermaßen sein eigenes Tempo für Modernisierungen – und jetzt soll plötzlich schwul cool sein? Man spürt förmlich, hinter wie vielen Kanzeln sich gerade die Fäuste ballen, bis die Knöchel bleich werden. Denn wenn man dieses Schleusentor erst mal öffnet, kommen am Ende wahrscheinlich sogar Frauen zum Zug – um Himmels Willen!

Jetzt aber mal keine Sorgen, Jungs. So schnell mahlen die Mühlen nun auch wieder nicht. So eine deutsche Bischofskonferenz, zum Beispiel, bleibt zwar „die“ Konferenz und damit feminin, aber auf ihr tummeln sich nur „Bischöfe“, was übrigens auch das vieldiskutierte Gendern erleichtert, denn da ist nix mit Sternchen oder Binnen-I. Da bleibt man unter sich, also ihm, hat aber möglicherweise in Zukunft tolerierte, alternative Partnerschaftsoptionen.

Schluss jetzt mit Reli. Es gibt schließlich tatsächlich auch völlig profane Wunder und eins von ihnen übertrumpft alles: Der Berliner Flughafen wird eröffnet. Klingt noch unwahrscheinlicher als Franziskus’ Einlassungen in zeitgemäße Vorstellungen von Sexualität, ist aber wirklich, wirklich, wirklich wahr. Man kann demnächst von BER aus in die Welt fliegen und aus der Welt zurück nach BER. Der ursprünglich verantwortliche Architekt Meinhard von Gerkan erklärte gerade erst, dass die Berliner*innen (jetzt machen wir das mit dem Sternchen mal) diesen Flughafen nicht lieben, aber seine Funktionalität schätzen werden. Häh? Muss man eine Tankstelle lieben oder will man an ihr tanken? Und dass man in Berlin den Flughafen Tegel so inniglich liebt, hat ganz bestimmt nur damit zu tun, dass es sich auf „Kegel“ reimt, und das ist nun mal Volkssport hierzulande.

Zurück zu den Frauen. Die politischen Initiativen, über Quoten mehr Geschlechtergerechtigkeit herzustellen, sind erst mal ausgebremst worden, vielleicht aber auch einfach nicht so richtig gut gemacht (und gedacht) gewesen. Dass eine naheliegende Koalition aus AfD und NPD juristisch dagegen vorging und Erfolg hatte, macht auch ziemlich viel Sinn. In diesen Parteien ist der weibliche Anteil eher gering, vielleicht auch, weil sich Politikerinnen eher nicht zutrauen, Parteikollegen zur Begrüßung unter Verzicht auf derzeit eher umstrittene Handschläge gleich direkt einen Milzriss zu hauen.

Es bleibt ein anstrengendes, ein herausforderndes Jahr. Home Office, Home Schooling. Sehr viel Zuhause. Machen Sie das Beste draus. „Die“ Modernisierung. „Das“ Bauvorhaben. „Der“ Hammer. Da sind doch schon mal rein grammatikalisch alle Geschlechter beteiligt!

Ihr SB&W Team

Bauvorhaben dieser Ausgabe

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